Die Kunstgalerie Karlovy Vary präsentiert die Landschaftsmalerei Zdeněk Sýkoras und knüpft damit an zwei Ausstellungen an, die in diesem Jahr anlässlich seines neunzigsten Geburtstags in der Galerie der Hauptstadt Prag und im Kunstmuseum Olomouc stattfanden. Landschaftsgemälde von ihm waren teilweise schon in der Prager Retrospektive vertreten, fungierten dort aber lediglich als Verweis darauf, wo das spätere Schaffen des Künstlers, der vor allem für seine Strukturen und Linienbilder bekannt ist, seinen Ausgang genommen hat. Mit der Ausstellung in Karlovy Vary möchten die Veranstalter die Landschaftsmalerei in dem Umfang und der Qualität zur Geltung bringen, wie es diesem Phänomen in Sýkoras Malerei gerecht wird, und darüber hinaus die Trilogie großer monografischer Ausstellungen im Jubiläumsjahr des Künstlers mit einem krönenden Abschluss versehen.
Nach seinen Anfängen als Maler, die vom Geist des Surrealismus und Postkubismus inspiriert waren, wandte sich Zdeněk Sýkora Ende der vierziger Jahre dem Studium der Natur zu. In den nun folgenden zehn Jahren war für ihn die Landschaft das Hauptthema und ein inspirierendes natürliches Umfeld, in dem er seine theoretischen Kenntnisse der malerischen Formensprache, vor allem französischer Provenienz – der Schule von Barbizon und schließlich der Postimpressionisten – verifizieren konnte. Seine Motive fand er sowohl in Louny als auch – und das zumeist – in der freien Natur, in der unmittelbaren und auch in der weiteren Umgebung seiner Heimatstadt. Maßvolle Kompositionen aus Feldern, Wiesen und Waldpartien wechselten mit Blicken durch Alleen und auf den Fluss Eger, mitunter ist in der Ferne das Böhmische Mittelgebirge zu sehen. Die Auswahl der Sujets verrät nicht nur unmittelbare Faszination im Sinne eines visuellen Erlebnisses, sondern auch die Wahrnehmung und das Verstehen der Landschaft in ihren überzeitlichen Werten. Vielleicht ließ der Künstler auch deshalb schon relativ bald die impressionistischen Ausdrucksmittel hinter sich und richtete die Entfaltung seiner malerischen Mittel auf eine nichtillusionistische, farbflächige Komposition aus. In dieser Phase wurde für ihn die Begegnung mit der Werksammlung von Henri Matisse 1959 in der Eremitage entscheidend. Die Lapidarisierung der Form durch die serienmäßige Wiederholung des Motivs bei Matisse, zusammen mit der Befreiung der Farbe und der Linie aus ihrer Abhängigkeit von der Wirklichkeit, das alles faszinierte ihn und bestärkte ihn in der Richtigkeit des von ihm selbst eingeschlagenen Weges. Seine schon begonnenen und neuen Bilder malte Sýkora nun bereits unter dem Eindruck dieses Erlebnisses und der umfangreiche Zyklus „Gärten“, der in dieser Zeit entstand, verkörperte den definitiven Übergang von der Abbildung der gegenständlichen Welt hin zur Gestaltung ihres abstrakten Äquivalents. Im Laufe von knapp drei Jahren geometrisierten sich die ursprünglichen organischen Formen der ersten „Gärten“ von 1959 allmählich und auf natürliche Weise, bis hin zum letzten Bild dieses freien Zyklus – Garten / Komposition, 1961, das bereits einen eindeutigen Übergang zur geometrischen Abstraktion darstellt. Obwohl er sich danach in erster Linie der Abstraktion widmete, kehrte er häufig zu Landschaftsmotiven zurück – nicht nur als Universitätspädagoge mit seinen Studierenden, sondern auch selbst oder mit dem Kunstzirkel Louny, den er ab Anfang der sechziger Jahre leitete. So herrschten weiter die beliebten Sujets in der Umgebung der Stadt Louny vor, die Eger, das Umland von Cítoliby und das Böhmische Mittelgebirge, gelegentlich malte er aber auch bei Kursen für Landschaftsmalerei mit den Studierenden, vor allem in der Gegend bei Třeboň und in Moldava im Erzgebirge, ab und zu widmete er sich auch Motiven am Ostseeufer. Die Ausstellung legt ihr Hauptaugenmerk auf die drei erstgenannten Malbereiche, nicht nur, weil diese Werke am zahlreichsten vertreten sind, sondern auch wegen der motivischen Kontinuität zu seinem Schaffen in den fünfziger Jahren. In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre nimmt die Frequenz von Sýkoras Malausflügen zu realen Motiven in die Natur ab und am Beginn der letzten Dekade des vergangenen Jahrhunderts hört er ganz auf, sich der Landschaftsmalerei zu widmen.
Die Landschaftsmalerei Zdeněk Sýkoras, die er parallel zu seinem abstrakten Schaffen betrieb, wurde seit den sechziger Jahren praktisch nicht mehr reflektiert, gegebenenfalls wurde sie nur am Rande oder gar negativ als ein gewisser Anachronismus erwähnt, den der ansonsten progressive Künstler nicht aufzugeben vermochte. Die Ausflüge des Malers in die Natur wurden bestenfalls lediglich als praktischer Teil seiner pädagogischen Tätigkeit aufgefasst. In diesem Zusammenhang ist bezeichnend, dass die erste Einzelausstellung Sýkoras 1952 im Aleš-Saal in Prag gleichzeitig die letzte war, die sich ausschließlich mit diesem Thema befasste. Die Organisatoren der Ausstellung bemühen sich deshalb darum, Sýkoras Landschaftsmalerei als bemerkenswertes Phänomen und integralen Bestandteil seiner Künstlerpersönlichkeit hervorzuheben und sie so zwanglos in den Kontext der Entwicklung des Malers einzufügen.
Jan Samec, 2010