Die Geschichte des Vorhangs für das Theater Louny
Louny, ab 27. 4.2011

1963 ließ man den Feuerschutzvorhang des Theaters Louny nach einem Entwurf Zdeněk Sýkoras gestalten. An den Vorhang, der bei der Rekonstruktion des Theaters verloren ging, erinnert nun eine großformatige Fotografie im Foyer des Theaters.
Text in Katalog:
Als das Stadttheater Louny (Laun) in den Jahren 2001–2003 rekonstruiert wurde, ging der eiserne Vorhang von 1963 verloren. Gestaltet hatte diesen Vorhang Zdeněk Sýkora, der heute nicht nur als eine der bemerkenswertesten Persönlichkeiten der tschechischen bildenden Kunst gilt, auch im internationalen Maßstab genießt er das Ansehen eines bedeutenden Vertreters der Gegenwartskunst. An der Gestaltung des Vorhangs war auch sein Freund, der Maler Vladislav Mirvald, beteiligt, dessen Bedeutung, ebenso wie die Zdeněk Sýkoras, über die Grenzen seiner Heimat hinausreichte. Der Vorhang hatte beachtliche Ausmaße — 7,8 x 5,8 Meter —, wodurch ein Kunstdiebstahl wohl ausgeschlossen ist. Vielmehr dürften Unkenntnis und Gleichgültigkeit der Hintergrund gewesen sein; der Vorhang endete höchstwahrscheinlich auf dem Schrott.

Wenn die sechziger Jahre mitunter als goldene Jahre der tschechischen Kultur bezeichnet werden, so gilt dies für Louny umso mehr. Die treibende Kraft des kulturellen Lebens in der Stadt war der Ästhet Josef Hlaváček, der im städtischen Kulturhaus angestellt war. Er war bei allen wichtigen Ereignissen dabei: bei der Gründung des Klubs der Kunstfreunde, des Filmklubs und der Volkshochschule. Legendär wurde Louny aber vor allem auf dem Gebiet der bildenden Kunst. Es lebten und arbeiteten hier drei Künstler, die inzwischen in der Geschichte der tschechischen Malerei einen festen Platz einnehmen: Kamil Linhart, Vladislav Mirvald und Zdeněk Sýkora.

Eine wichtige kulturelle Institution der Stadt war das Theater, das 1950 eröffnet wurde. Es wurden dort Gastspiele aufgeführt, Klassikkonzerte veranstaltet und es traten dort die örtlichen Laienschauspieler auf, die im Tyl-Verein organisiert waren. 1962 beschloss man, den eisernen Vorhang des Theaters zu verschönern. Über die Umstände, wie es zu diesem Auftrag kam und wie er vergeben wurde, liegen leider keine Aufzeichnungen vor. Die schriftlichen Unterlagen des Fučík-Theaters aus den sechziger Jahren sind nicht erhalten und in den Protokollen des Stadtrats wird der Vorhang mit keinem Wort erwähnt. Sicher ist nur, dass mit der Ausgestaltung des Vorhangs Zdeněk Sýkora beauftragt wurde. Die zu bemalende Fläche war riesig und die Arbeit am Vorhang musste bis zu einem bestimmten Termin bewältigt werden. Deshalb bat Sýkora seinen langjährigen Freund Vladislav Mirvald um Hilfe. Dieser hatte eine enge Beziehung zum Theater. Schon in den fünfziger Jahren hatte er für das Theater Plakate und für einige Stücke die Dekoration und das Bühnenbild entworfen.

Die Gestaltung des Vorhangs kann auf Ende 1962, Anfang 1963 datiert werden. In der Zeit, in der die Künstler daran arbeiteten, konnte vermutlich im Theater nicht gespielt werden. Der Vorhang muss also im Zeitraum zwischen dem 28. Dezember und dem 12. Januar entstanden sein, also nach der letzten Vorstellung im Jahr 1962 und vor der ersten Aufführung im darauffolgenden Jahr. Dass die Arbeiten bis zum 15. Januar 1963 abgeschlossen waren, wird auch durch die Tatsache belegt, dass ein Foto von Sýkora und Mirvald beim Malen des Vorhangs auf der Titelseite der Februarnummer der lokalen Kulturzeitung abgebildet ist. Im Innenteil findet sich jedoch nur die lakonische Meldung, dass das Werk fertiggestellt wurde. Redaktionsschluss der Monatszeitung war nämlich in der Regel bereits Mitte des vorangegangenen Monats.

Zdeněk Sýkora schuf mit diesem Theatervorhang ein monumentales Werk, das bereits im Geiste der geometrischen Abstraktion gestaltet wurde, die für ihn im Laufe der Zeit und später auch für Vladislav Mirvald zum wichtigsten Ausdrucksmittel wurde. Der Vorhang bestand aus sechs Stahlplatten und öffnete sich, indem je drei Platten von der Mitte zur rechten bzw. linken Seite der Bühne gezogen wurden. Da sich dabei die einzelnen Segmente überlappten, ergaben sich für den Vorhang — je nachdem, wie weit er zugezogen war — mehrere kompositorische Varianten. Pavel Kappel beschrieb den Vorhang im Katalog zur Sýkora-Retrospektive in der Stadtbibliothek Prag im Jahr 2010 folgendermaßen: „Es handelt sich um die Komposition eines sehr komplexen Entwurfs, der bereits das strukturelle Verständnis der Fläche vorwegnimmt. Das Format wurde durch ein regelmäßiges Raster unterteilt, dessen Segmente mit schwarzer und weißer Farbe ausgefüllt wurden. Die endgültige Form entstand intuitiv, es ging um die gegenseitige Ausgewogenheit der einzelnen Flächen im Sinne von Positiv – Negativ. Der rational aufgebaute Bildraum und das Prinzip der Wiederholung dienten sicherlich als Anregung für Erwägungen über eine logischere Vorgehensweise bei der Gesamtkomposition des Bildes.“

Durch seinen Aufbau bot der Vorhang die Möglichkeit, ihn als autonomes bühnenbildnerisches Element einzusetzen. In seiner Mirvald-Monografie erinnert Tomáš Pospiszyl an die Inszenierung von Čapeks Stück „Die Sache Makropulos“ aus dem Jahr 1965. Das Bühnenbild hatte Vladislav Mirvald entworfen, der den Vorhang nicht ganz zur Seite ziehen und ihn so mit den Rhomboiden korrespondieren ließ, die das zentrale Element der Bühnengestaltung bildeten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Vorhang öfter auf diese Weise genutzt wurde.

Schon kurz nach der Zerstörung des Vorhangs kam der Gedanke auf, ihn wiederherzustellen. Aufgrund der technischen Gegebenheiten im rekonstruierten Theater kann er aber nicht wieder als funktionelles Element des Bühnenbildes eingesetzt werden. Zur Erinnerung an dieses einzigartige Werk ließ das Theater jedoch ein Foto des Vorhangs im Format 306 x 430 cm drucken, das im Foyer aufgehängt wird. Paradoxerweise wird es dann wohl von den Besuchern mehr wahrgenommen als das Original, dabei war der Vorhang vierzig Jahre lang, die meiste Zeit seiner Existenz, ein Teil des Theaters.

PhDr. Bohumír Roedl, 2011

Die Geschichte des Vorhangs für das Theater Louny

Louny, Vrchlický-Theater
ab 27. 4. 2011
Ausstellungskonzept: Lenka Sýkorová
Katalog: Bohumír Roedl